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Tag 31 – PREIKESTOLEN – ein Test für Ausdauer und Gelenke

Drei Dinge braucht man zu allem: Kraft, Verstand und Willen.

Norwegische Lebensweisheit

Heute lassen wir uns Zeit. Es ist bestes Ausflugswetter und wir wollen einen Wandertag unternehmen. Unser Ziel: PREIKESTOLEN. Das ist eine Felskanzel hoch über dem LYSEFJORD. Beinahe jeder, der irgendwann Bilder aus NORWEGEN betrachtet hat kennt diese spektakuläre Felsformation. Glücklicherweise ist PREIKESTOLEN nicht weit entfernt und wir können bequem ohne zusätzliches Gepäck den gut angeschriebenen Wegweisern folgen. Es geht zunächst auf breiter Straße von Meereshöhe auf ca.340m Seehöhe, wo wir einen Parkplatz finden. Da dieser abschüssig ist muss Atlan ein paar Mal hin- und her rangieren, bis die SOL einen festen Stand auf dem Seitenständer hat.

Danach packen wir all unsere Motorradsachen ins leergeräumte Topcase, in die leeren Seitenkoffer und ins mitgebrachte Stahlnetz. Die schlechte Erfahrung mit unserer missglückten Wanderung zur TROLLKYRKYA und die damit verbundenen Probleme unsere Klamotten sicher verstauen zu können sind uns heute ein guter Ratgeber. Dann gehts gemächlich den vorbereiteten Steig hinauf. Es stellt sich aber schnell heraus, welche enorme Lücken wir in unserer Ausdauer und Kraft in unseren Beinen haben.

Das ist üblicherweise keine große Herausforderung, denn es gilt die Faustformel, dass selbst durchschnittliche Wanderer auch auf längeren Strecken pro Stunde 300 Höhenmeter überwinden können. Hier stellt sich die Sachlage allerdings anders dar: Zunächst einmal herrscht ein ungeheurer Andrang. Tausende wollen gleichzeitig mit uns zur berühmten Felsplattform hinaufkommen.

Außerdem ist das kein ebener, ansteigender Weg, sondern eine aus zurechtgelegten Felsen bestehende Treppe, deren Stufenhöhe doch beachtlich ist. Mit anderen Worten: Statt einer angenehmen Wanderung absolvieren wir bei nur leicht bewölktem Himmel, warmen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit eine anstrengende Kletterpartie. Alle paar hundert Meter informiert ein Schild wie weit es noch ist. Zunächst geht es durch schattigen Wald, der jedoch bald nacktem Granitfels weicht. Aufgrund des großen Andrangs müssen wir sogar manchmal warten bis sich ein Stau an einer Engstelle gelöst hat, um vorwärtszukommen.

Es geht auch nicht nur bergauf, sondern ein paar Mal auch wieder bergab, was die Sache noch anstrengender macht. In Summe sind es nur 4 KM zu gehen – die jedoch haben es in sich.

Als wir letztlich oben ankommen, sind wir ausgepumpt und Fuß-, Knie-, Hüftgelenks- und Rückenschmerzen kündigen sich an. Atlan selbst habt seine eigene Strategie, um mit solchen Situationen umzugehen: Er geht langsam und bleibe nie stehen. Außerdem hat er seinen Blick immer nur auf das gerichtet was direkt vor ihm ist und vermeidet so die Frustration, wenn er aufblickt und sehen muss, wie lange die Plackerei noch dauert. Insgesamt haben wir mehr als 1,5 Stunden gebraucht. Trotz all dieser Strapazen können wir sagen, dass sich das gelohnt hat, denn die Aussicht von dieser ca. 25 x 25 Meter großen Plattform ist einfach phänomenal. Es hat schon seinen Grund, warum das ein solcher Touristenmagnet ist.

Wir hätten sicher eine großartige Erfahrung versäumt, wenn wir nicht hierhergekommen wären – aber wir werden es sicher nicht nochmals machen.

Wir haben uns etwas zum Trinken mitgenommen, von dem jetzt praktisch nichts mehr übrig ist, wir aber triefend nass vom Schweiß sind. Um einen besseren Überblick zu haben und bessere Fotos machen zu können, steigt Atlan noch ein paar Meter eine steile Felswand hinauf. Hinter ihm machen das auch noch eine deutsche Familie mit einem etwa 8- bis 10-jährigen Jungen. Der ist offenbar wohlerzogen, denn er formuliert seine Eindrücke folgendermaßen in allerbestem Hochdeutsch: „Papa – ich glaube es ist angebracht hier zu sagen: HOLY SHIT“.

Wir fotografieren uns dann noch gegenseitig müssen uns dafür aber in eine Warteschlange für die beste Position einreihen. Als Atlan drankommt, um fotografiert zu werden hat er erhebliche Schwierigkeiten auf näher als 2 Meter an den Rand zu gehen, da ihm enorm schwindlig wird. Offenbar ist er für große Höhen sehr empfindlich.

Als wir wieder die 4 km hinunter gehen, offenbart sich unsere mangelnde Kondition in ganzer Breite. Schon bei der Hälfte des Weges hinab wissen wir beide nicht mehr, wie wir uns bewegen sollen damit uns nichts weh tut. Mehr noch als Atlan ist Mara geplagt. Umso frustrierender ist es, wenn da irgendwelche 8- bis 10-jährigen unter völliger Ignoranz der Gravitation wie die Flummibälle mühelos von Stein zu Stein zu springen scheinen.

Als wir wieder unten ankommen, sind wir erschöpft, aber glücklich es geschafft zu haben. Das Erste, was wir machen, ist uns einen Sticker zu kaufen und einen Kaffee und ein kühles Getränk in der dortigen Raststation. Danach ziehen wir uns wieder unsere Motorradklamotten an und fahren zurück in die Unterkunft. Die lauten Italiener sind mittlerweile abgereist und so haben wir den Gemeinschaftsraum mit Küche im 3. Stock für uns allein. Als wir uns etwas erholt haben, zaubert Mara dort noch ein Essen auf den Tisch.

unsere Tagesetappe

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