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Tag 30 – Regenfahrt von JONDAL nach Tau

Der einzige gute Blick auf ein Gewitter ist in deinem Rückspiegel.

Bikerweisheit

Der heutige Tag ist wieder eine Regenschlacht. Es ist bereits der 3. Regentag in Serie. Bereits das Aufladen aller Gepäckstücke erfolgt im strömenden Regen. Mit im Übernachtungspreis inbegriffen war auch ein Lunchpaket nach dem Frühstück. Wir nehmen uns 2 kleine Brötchen mit Käse und Wurst mit, welche in die Packtasche verstaut werden, die am rechten Sturzbügel hängt.

Wir entscheiden uns heute keine Landschaftstour zu unternehmen und deshalb nicht entlang des HARDANGERFJORDES Richtung Nordosten zu fahren um dann bei UTNE via der E13 Richtung Süden. Stattdessen nehmen wir die wenig spektakulären Tunnel der 550 und 551 bis TOKHEIM. In ODDA bleiben wir stehen, um einerseits unseren Hinterteilen etwas Ruhe zu gönnen und andererseits, um für Mara Regengamaschen zu kaufen.

Maras linker Motorradstiefel war undicht geworden und jedes Mal, wenn sie jetzt den linken Fuß belastet, spritzt das Wasser aus der undichten Stelle wie aus einem Springbrunnen. Mara hat das Problem schon gestern provisorisch gelöst, indem sie ihren linken Fuß samt Socken in einen Plastiksack steckt. Sie kann damit zwar nicht den undichten Schuh verbessern, aber wenigsten sind ihre Zehen nicht mehr im Wasser. Für solche Fälle gibt es eigenen Motorradschuhgamaschen. Die funktionieren wie ein Regenüberhandschuh. Atlan hat sogar sowas zuhause, hat aber nicht damit gerechnet, dass wir das Brauchen werden. Also besuchen wir in ODDA mehrere Schuh- und Sportgeschäfte aber die haben sowas leider nicht.

Es gibt dort auch einen REMA1000 – Supermarkt, bei welchem wir uns wieder mit Getränken eindecken. Der eigentliche Grund für den Stopp in ODDA ist aber ein ganz anderer: Hier gibt es eine Filiale der Spirituosenkette VINMONOPOLET in welchem wir uns wieder eine Flasche „Primitivo“ kaufen. Die kommt in Maras Koffer wo der entsprechende Platz durch eine leere Plastikflasche Mineralwasser freigehalten wurde: Plastikflasche raus – Weinflasche rein – und fertig.😊

Im strömenden Regen fahren wir weiter und fahren dabei an vielen spektakulären Wasserfällen vorbei. Jeder einzelne wäre in Österreich ein einzigartiges Naturwunder, aber hier sind sie völlig alltäglich. Da es in den letzten Tagen so ausdauernd und intensiv geregnet hat und die Berge nur wenig Vegetation haben fließt rasch der gesamte Niederschlag zu Tale. Alle Bäche sind übervoll und elementar wild. Wir fahren einem Wildbach entlang, an welchen sich wohl auch Olympiasieger im Wildwasserpaddeln nicht herantrauen würden. Mit extremer Wucht und Gewalt schießt da das Wasser über alle Felsen ins Tal. Wir kommen sogar an einer Stelle vorbei, an der mit wenigen Metern Abstand so ein Wildwassermonster einmal von links und dann von rechts neben der Straße herunterstürzt (LATEFOSSEHN und ESPELANDSFOSSEN).

Es fühlt sich an wie die KRIMMLER Wasserfälle, nur halb so hoch aber mit 10x mehr Wasser und man fährt nur in 2 – 3 Metern Entfernung dran vorbei. Später tut es Atlan leid nicht stehen geblieben zu sein. Jedes Mal, wenn man in einen Tunnel einfahren oder herausfahren gibt es eine frische Dusche von oben und die kleinen Rinnsale neben der Straße haben sich in veritable Wasserströme verwandelt, sodass die Wasserdurchlässe unter der Straße Mühe haben die schiere Menge zu bewältigen. Wir aber bleiben trocken, weil wir eine gute Ausrüstung haben – ein gutes Gefühl.

Bei SKARE machen wir zunächst einen kleinen Abstecher nach ROLDAL, wo wir eine der ältesten Stabkirchen NORWEGENS besuchen. Die wurde ungefähr im Jahr 1275 gebaut, ist vollständig aus Holz und ist immer noch geweiht. Nachdem wir von der SOL absteigen, macht sich Mara auf den Weg zur Kirche. Atlan folgt etwas später, denn er kommt an einem Campingbus vorbei mit einem Autokennzeichen, aus einem Land, das er noch nie gesehen hat. Auf dem Bus ist außen eine Karte von ISLAND aufgeklebt und die betrachte er jetzt. Es ist tatsächlich ein Campingbus eines alten Ehepaars aus ISLAND. Sie unterhalten sich kurz über die Vulkanausbrüche bei GRINDAVIK. Atlan hätte das gerne selbst vor Ort gesehen, aber der Flug war ihm zu teuer.

Die alten Leute meinen, dass diese Idee viel gehabt hätten und es einen regelrechten Vulkantourismus gibt. Als wir in die Kirche hineingehen müssen wir bei einem indisch aussehenden jungen Mann etwas Eintritt bezahlen.

Wir machen das aber guten Gewissens, denn wir wissen, dass das Geld für den Erhalt dieses Kulturschatzes verwendet wird. Mara verlässt vor Atlan die Kirche und als Atlan ebenfalls hinausgeht, steht jetzt ein junges Mädchen in norwegischer Tracht an der Kassa mit einem absolut symmetrischen Gesicht, langen glatten braunen Haaren und geradezu engelhaftem Aussehen. Ihm stockt beinahe der Atem, als er sie sieht. So viel Schönheit – weiß diese junge Frau eigentlich, wie absolut außergewöhnlich sie aussieht? Später findet er es schade sie nicht gefragt zu haben, ob er ein Foto machen darf. Er fragt sie dann etwas, was er schon länger wissen will: In allen Supermärkten, Restaurant, und an vielen anderen Servicestellen haben wir in den letzten Wochen beinahe ausschließlich junge Norweger angetroffen. Gibt es hier so viel Jugend oder sind das bloß die Ferialpraktika, wo sich Schüler über die Ferien was dazuverdienen können? Die junge Frau vermutet letzteres. Danach fahren wir wieder zurück nach SKARE und biegen jetzt Richtung TAU ab.

Langsam brauchen wir eine Kaffeepause und auch was zu essen. Immerhin ist es ja bereits dreiviertel zwei. Wie wir aus Erfahrung wissen, dass es weder Kaffeehäuser noch Wirtshäuser neben der Straße, sondern allenfalls in Orten zu gibt, biegen wir von unserer Route in den Ort SAND ab. Glücklicherweise können wir neben der Straße eine große SHELL Tankstelle mit Tankstellenshop erkennen.

Wir gehen hinein und bestellen uns jeweils eine Art Burger mit eine Cola. Das Getränk bekommen wir sofort, der Burger wird extra für uns angefertigt und im Heißluftherd warm gemacht, was gefühlt ewig dauert. Am Fenster gibt es einen langen Tisch und ein paar hohe Hocker, welche wir jetzt in Beschlag nehmen.

Da es keinerlei Ablagemöglichkeiten für unsere Regenjacken und Motorradjacken gibt, müssen wir sie auf diesen Tisch legen, wodurch wir praktisch die Hälfte des bestehenden Tisches in Beschlag nehmen. Wir können uns auch einen Becher Kaffee aus dem Automaten herunterdrücken.

Wir wissen, dass es die Möglichkeit gäbe, einen eigenen Plastikbecher zu kaufen und den mitzunehmen, denn dann wäre jedes Mal, wenn wir an so einer Tankstelle vorbeikommen, der Kaffee um den Preis des Wegwerfbechers billiger. Angesichts der Reichweite der SOL von mehr als 700 km und der damit einhergehenden Tatsache, dass wir deshalb nur selten tanken müssen, ist das für uns aber keine Option. Als Mara kurz mal aufs WC geht, beginnt ein alter Mann ein Gespräch mit mir. Er bewundert die SOL. Sie ist ja wirklich ein mächtiges Instrument und so aufgepackt wie jetzt sieht sie noch imposanter aus. Wie viele andere auch ist er überrascht, als Atlan ihm sagt, dass wir aus ÖSTERREICH kommen, am NORDKAP waren und jetzt wieder zurück in die Heimat fahren. Wie es scheint, ist diese Tankstelle so etwas wie ein allgemeiner, gesellschaftlicher Treffpunkt und erfüllt eine ähnliche Funktion wie ein Kaffeehaus bei uns zuhause in ÖSTERREICH. Wir lassen uns Zeit und gehen erst nach ein-dreiviertel Stunden wieder in den strömenden Regen hinaus, um weiterzufahren.

Wir biegen auf die E134 ab und später auf die E13. Je weiter wir nach Süden kommen, umso weniger regnet es bis es schließlich ganz aufhört und wir am Fährhafen von NESVIK stehen. Dort müssen wir erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass unser Fährpass nicht akzeptiert wird, da die Fähre von NESVIK nach HJELMELANDSVAGEN privat betrieben wird. Das Wetter bessert sich immer mehr bis wir trocken in TAU ankommen. Unsere Unterkunft liegt etwas versteckt und ist eine Art Hostel. Das Besondere: Es gibt zwar einen Aufzug, aber der darf nur für Behinderte und für den Gepäcktransport verwendet werden. Angekommen in unserem Zimmer müssen wir erstmal wieder alle Gepäckstücke unter der Dusche säubern, bevor wir sie irgendwo hinstellen können. Es geht eine ordentliche Ladung Sand und Dreck in den Abfluss. Als nächstes werden die Betten zusammengeschoben und deren Füße mit Spanngurten zusammengebunden. Somit können wir abends und am Morgen wieder miteinander kuscheln. Während wir arbeiten können wir lautes Durcheinandergeplapper von außerhalb der Zimmertüre vernehmen. Es ist eine Gruppe junger Italiener, welche sich am Gang unterhalten. Als es dann ruhig wird, riskiert Mara einen Blick nach draußen und sieht, dass die Italiener am Gang eine Jogastunde abhalten. Wieso am Gang? Später wird’s dann nochmals laut, diesmal im Stockwerk oberhalb als die Italiener gemeinschaftlich Kochen. Als endlich Ruhe einkehrt, können auch wir in die Gemeinschaftsküche in den Stock oberhalb gehen und Mara versorgt uns wieder mit einem köstlichen Mahl, dessen Zutaten sie vom Supermarkt nebenan hat. Den hat sie besucht, als Atlan sich aus Erschöpfung kurz schlafen gelegt habe. 600 Kilo auf 2 Rädern bei starkem Regen durch unbekannte, kurvige und hügelige Straßen zu manövrieren ist ganz schön anstrengend.

unsere Tagesetappe

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