
Tag 22 – Fahrt durch MITTELNORWEGEN
Die Fjorde Norwegens sind wie Arme des Meeres, die das Land liebevoll umarmen.
Norwegische Weisheit

Es hat angenehme Temperaturen in der Früh, als wir aufstehen und uns fertig zur Abreise machen. Nachdem alles aufgeladen ist, lässt Mara einfach den Schlüssel stecken und wir fahren gegen 09:45 Uhr ab. Im Vorbeifahren winken wir noch den Besitzern zu. Noch immer ist die Straße kurvig und hügelig aber je weiter wir noch Süden vorstoßen umso so breiter und gerader werden die Straßen. Die Landschaft rings um uns bekommt nach und nach einen landwirtschaftlichen Charakter. Wir sehen unzählige Felder mit Hafer und Gerste, die kurz vor der Ernte stehen. Es trübt sich etwas ein, aber später wird es noch richtig sonnig. Gegen 10:45 Uhr machen wir an einer Tankstelle bei HOYLANDET halt, um uns unseren Vormittagskaffee zu gönnen. Die Tankstelle hat sogar einen Holztisch im Freien, auf dem wir uns niederlassen.
Nach etwa einer halben Stunde fahren wir weiter und nehmen die 775, welche eine Verbindungsstraße zur E6 ist. Oft durchqueren wir kleinere Ortschaften und müssen dabei über längere Zeit Geschwindigkeitsbeschränkungen von 50, 60 oder 70 km/h einhalten, aber wir haben ja Zeit. Je weiter wir nach Süden kommen, umso mehr haben wir den Eindruck im landwirtschaftliche Zentrum NORWEGENS zu sein. Als wir eine lange Rechtskurve einen Hügel hinauffahren, steht auf der Straße ein Expeditionsmobil und ein Pannendreieck. Das ist eine ungute Stelle, um eine Panne zu haben, denn sie taucht überraschend auf und wenn da ein Fahrzeuglenker nicht aufpasst, kann das einen katastrophalen Unfall ergeben. Leider kann man sich aber nicht aussuchen, wo das eigene Vehikel verreckt. Im Vorbeifahren können wir noch das internationale Kennzeichen und die Buchstabenkombination „ROK“ sehen. Eine junge Frau asiatischen Aussehens steht am gegenüberliegenden Straßenrand und wartet. Atlan muss einen Augenblick nachdenken, bis ihm klar wird, dass dieses Expeditionsmobil aus SÜDKOREA kommt. Wow – das muss eine lange Reise gewesen sein. Wie lange die wohl schon unterwegs sind, was die wohl schon alles gesehen haben, wohin die wohl noch reisen werden? Er beginnt ein wenig zu träumen. Gleichzeitig tun ihm diese Leute auch leid, denn hier in dieser Gegend, soweit weg von zuhause muss Hilfe schwer zu bekommen sein. Atlan überlegt noch einen Augenblick, ob wir umdrehen und unsere Hilfe anbieten sollen, aber mittlerweile sind wir schon ein paar Kilometer weiter und womit hätten wir helfen können? Im Geiste wünscht er den Südkoreanern alles Gute und viel Erfolg bei der Reparatur.
Beim Festlegen der heutigen Route waren wir uns einig TRONDHEIM großräumig zu umgehen. Das ist ein dicht besiedeltes Gebiet und es gibt dort sogar erste kurze Autobahnen. Nichts, was man genießen kann. Aus diesem Grund wollen wir auf eine kleine Straße nördlich des BEITSTADFJORDEN, einem Seitenfjord des TRONDHEIMFJORDES ausweichen, welche auf der Straßenkarte einen grünen Begleitstreifen hat. Das heißt so viel wie „landschaftlich reizvolle Straße“. So ohne Navi ist es aber schwierig die richtige Abzweigung zu finden. Als wir von der E6 auf die 17 abbiegen, wissen wir, dass wir nach kurzer Zeit links auf die 720 einbiegen müssen, versäumen aber trotzdem die gewünschte Straße. Hinzu kommt noch, dass wir hier nicht umkehren können, weshalb wir längere Zeit der breit ausgebauten Straße folgen müssen, bis wir einen größeren Parkplatz vor einem „JOKER“-Supermarkt finden. Dort steigen wir erstmal ab und konsultieren die Straßenkarte. Resultat: Ja, wir sind hier tatsächlich falsch und müssen umdrehen. Jetzt wissen wir, wo wir abbiegen müssen und fahren auf einer sehr malerischen schmalen Straße direkt neben dem Fjord dem Wasser entlang. In der Ferne können wir auf der anderen Seite des Fjordes STEINKJER sehen. Es ist mittlerweile früher Nachmittag, der Himmel ist beinahe wolkenlos und wir brauchen eine Pause. Einen passenden Platz zu finden, dauert allerdings etwas, da die Straße auf der einen Seite direkt neben dem Wasser verläuft und auf der anderen Seite geht es steil den Hang hinauf.

Wir genießen die Aussicht, den wenigen Verkehr, das perfekte Wetter und finden dann auch nach einiger Zeit eine Ausweiche, wo wir neben der Straße stehenbleiben. Dort plündern wir unsere Vorräte und haben ein gehaltvolles Mittagessen. Atlan findet sogar eine vereinsamte Walderdbeere und spendiert sie Mara. Diese treibt einen kleinen Rest einer wilden Himbeere auf und schenkt ihn Atlan im Gegenzug.
Die Thermoinlets der Motorradjacken sind mittlerweile in die Packtasche verstaut und nachdem wir uns mal kurz in die Büsche verdrückt haben, fahren wir weiter dem Fjord entlang. Es ist eine echte Genusstour. Wir folgen der Straße weiter entlang des VERRASUNDET bis dieser endet und wir auf der breit ausgebauten 715 Richtung Süden abbiegen. Die Straße gleicht mehr einer Autobahn als einer Landstraße und es gibt auch erstmalig eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 90 km/h. So schnell durften und konnten wir bis jetzt in NORWEGEN noch nie fahren. Angekommen in RORVIK können wir gleichzeitig 3 Fähren bei der Arbeit sehen: 1 befindet sich einer der beiden Fährstationen, eine bei der Hinfahrt und die letzte bei der Fahrt entgegen der zweiten. Somit dauert es nicht lange bis wir boarden können und in FLAKK wieder an Land fahren. Danach dauert es nicht mehr lange bis wir ORKANGER erreichen, unser heutiges Tagesziel. Wir finden die Unterkunft für die kommende Nacht in einer Seitenstraße eines Wohnviertels. Es ist eine Wohnung im Keller mit Außenzugang in einem Mehrfamilienhaus. Als wir gegen 17:30 Uhr ankommen, grillt gerade eine junge Lady etwas Fleisch auf einen Holzkohlengrill auf der Terrasse des Hauses. Sie ignoriert uns aber und wir stellen fest, dass wir eine komplett eingerichtete, kleine Wohnung angemietet haben. Mit ca. 350 km Tagesleistung war das eine der längsten und anstrengendsten Tagesetappen der gesamten Tour. Als endlich alles Gepäck hineingetragen ist, ist Atlan so erschöpft, dass er sich aufs Bett legt und sofort wegdämmert. Während er schläft, geht Mara in den nächsten Supermarkt einkaufen und zaubert uns dann mit Lasagne ein großartiges Abendessen auf den Tisch. Danach kommt es zu einer kurzen, intensiven Diskussion über die Planung der nächsten Tagesetappen. Mara möchte die nächsten Etappen planen und festlegen, um einen Überblick zu haben, um rechtzeitig in HAMBURG sein zu können, aberAtlan verweigert sich dem, weil es eine der Prämissen dieser Reise war gerade eben nicht allzu weit vorzuplanen. Das werden wir dann an einem der nächsten Tage nachholen.

Thams Pavillon im Stil einer norwegischen Stabkirche als Beitrag zur Weltaustellung 1893 in CHIKAGO. Nach dem Ende der Weltausstellung wurde das Gebäude fachgerecht demontiert und hier in ORKANGER wieder aufgestellt.


