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Tag 14 – die Reste des kaledonischen Gebirgsrückens – die LOFOTEN

 Das Glück erkennt man nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen.

Norwegiscxhe Levensweisheit

Atlan schreibt

Es ist schon erstaunlich wie diszipliniert Menschen auf einem Campingplatz sind. Binnen weniger Minuten am Abend erstirbt jedes Geräusch damit alle schlafen können und auch in der Früh ist alle Geräusche eher gedämpft. Kein lautes Schreien, aufheulen von Motoren, Streit oder laute Kinder um 6 Uhr morgens. Hinzu kommt noch, dass wir immer noch weit jenseits des Polarkreises sind, und damit irritierenderweise die natürliche Unterscheidung zwischen Tag und Nach wegfällt. Man verliert sofort wesentliche Teile des eigenen Zeitgefühls.

Trotz Augenbinde und Stöpsel in den Ohren weckt mich meine innere Uhr gegen 07:00 Uhr auf. Mara braucht noch etwas aber dann nach 08:00 Uhr nehmen wir unserem Tag in Angriff. Mara geht zunächst in den Nasszellenbereich, um sich frisch zu machen und danach Atlan, weil ja immer einer bei unseren Sachen sein soll. Der Himmel ist bewölkt aber das Wetter bessert sich während des Tages und wird beinahe wolkenlos und schwül. Die Nacht war trocken und es gibt auch nur wenig Morgentau. Wir lassen uns Zeit, richten unsere Sachen her und fangen an zu packen. Das zusammenfalten des Zelts geht schon ziemlich schnell, aber ich stehe immer noch in kurzer Hose und T-Shirt da, weil ich mich gerne duschen würde. Als ersten Takt des Tages gönnen wir uns aber ein Frühstück mit Kaffee und Croissant an der Rezeption des Campingplatzes und wir sind nicht die einzigen die dort etwas wollen. Die junge Dame und ihr Kollege sind etwas überlastet von all den Frühstücksanfragen, Brotverkäufen und Leuten, die gerne zahlen und abreisen wollen. Trotzdem bekommen wir bald unsere Bestellung, es ist mittlerweile nach 09:00 Uhr, und genießen gemütlich den Beginn des Tages.

Danach wollen wir aber endlich in Bewegung kommen, aber das ist leider nicht so einfach. Wir packen zwar alles zusammen, was im Moment möglich ist, aber Mara will sich duschen gehen. Das ist gar nicht so einfach, weil sich mittlerweile vor den Duschen Warteschlangen gebildet haben. Der Campingplatz ist weit entfernt davon voll zu sein und ich will mir nicht vorstellen, wie das wäre, wenn doppelt so viele Leute anwesend wären. Die ganze Anlage macht einen sehr provisorischen Eindruck. Offenbar hat das Alles klein angefangen und die Besitzer haben immer selbst etwas dazu gebaut, konnten aber mit dem wachsenden Ansturm nicht mithalten. Irgendwann kommt Mara dann frisch geduscht und gut gelaunt zurück und jetzt wäre ich an der Reihe. Zunächst muss ich mir mal die Duschen suchen. Ich sehe eine Warteschlange im Bereich für Männer und denke mir, dass dies viel zu wenig Duschen sind. Da muss es woanders noch mehr geben. Ich suche und finde eine zweite Warteschlange, welche noch länger ist. Als ich zur ersten Wartesachlange zurückgehe, ist die mittlerweile noch länger geworden. Mindestens 6 bis 8 Personen warten darauf sich erfrischen zu können. Wenn ich optimistische 15 Minuten pro Person rechne, muss ich da wahrscheinlich mindestens 30 bis 45 Minuten in der Gegend herumstehen. Ich gebe also auf und gehe frustriert zurück zu unseren Sachen. Während Mara schon angezogen ist, stehe ich immer noch in Bermudashorts und T-Shirt in der Gegend. Jetzt aber rasch an- bzw. umziehen und dann abdampfen Richtung LOFOTEN. Es ist schon gegen 11:15 Uhr Mittag als wir endlich losfahren können.

Dies ist unser erster Tag ohne Navi. Ich gebe Mara mein Handy, denn mein Diensthandy hat einen der höchsten Tarife bei T-MOBILE weshalb mir auch großer Datenverkehr egal sein kann. Mara soll mich via GOOGLE-MAPS ans Ziel steuern.

Wir fahren wie geplant an westlichen Rand der Inseln ANDØYA entlang, erreichen bei DRAGNES die Straße Nr. 82 und machen dann gegen 12:00 Uhr erstmals eine kleine Pause auf einer Ausweiche neben der Straße. Plötzlich hören wir, wie sich bei einem Auto, welches vorbeifahren will, das Abrollgeräusch der Reifen ändert. Das Auto hat offenbar genau in diesem Moment einen Reifenschaden erlitten und rollt auf unserer Ausweiche aus. Es steigt ein älterer Herr aus, der aber leider kein Englisch kann. Wir würden ihm ja gerne helfen aber wir können uns ihm nicht verständlich machen. Als ich ihn mit Handbewegung bedeute, dass er den Reservereifen auspacken soll, öffnet er den Kofferraum – und da ist zwar ein Wagenkreuz und ein Wagenheber drin aber kein Reservereifen. Als nächstes versuchen wir ihm nahezulegen, den NAC, den norwegischen Automobilklub anzurufen aber irgendwie scheinen wir nicht zu ihm durchzudringen. Irgendwann telefoniert er dann und winkt dann all unsere Bemühungen ab. Auch gut. Wenn er nicht will, werden wir uns nicht aufdrängen und nach ca. 20 Minuten fahren wir weiter. Kurz nach 12:30 Uhr bleiben wir mal stehen und kontrollieren, ob wir auf der richtigen Straße sind.

Es wird heiß und schwül. Wir haben Durst und unsere Getränkeflaschen sind schon leer. Also bleiben wir kurz nach 13:00 Uhr auf dem Parkplatz eines Supermarktes stehen und versorgen uns mit allem, was wir brauchen. Drinnen ist es angenehm kühl. Der Parkplatz des Supermarkts liegt direkt an einer belebten Straße und in der Ferne können wir eine wunderschöne Brücke hinüber nach SORTLAND sehen. Neben der Straße blühen ganze Felder von violetten Blumen, was zusammen mit dem guten Wetter eine perfektes Fotomotiv ergibt.

Was wir nicht merken, ist, dass wir eigentlich Richtung SORTLAND über die Brücken fahren sollten, weil das unser Plan war. Wir hatten in der Planungsphase dieser Reise die Absicht via SORTLAND weiter auf der 82 zu bleiben um dann Die Fähre MELBU – FISKEBOL zu nehmen. Die Idee war, Teile der E10 zu umgehen, damit wir bei der Weiterfahrt so wenig wie möglich Straßenstücke zweimal fahren, sondern immer was Neues unter die Räder bekommen. So aber fahren wir dann weiter auf der 85 Richtung LANGVASSBUKTA, um bei GULLESFJORD auf die E10 einzubiegen.

Gegen 14:45 Uhr – wir fahren schon eine ganze Weile auf der E10 – wollen mal unseren Kehrseiten eine Pause gönnen und möchte ich mich mal in die Büsche verdrücken. Neben dem Rastplatz, wo wir stehen bleiben, kommt eine Straße vom Meer hoch. Da scheint nicht viel los zu sein, denn es gibt definitiv keinen Verkehr darauf. Also stelle ich mich hinter einen Busch auf die Straße, um mich zu erleichtern aber gerade in diesem Augenblick kommt eine ganze Fahrzeugkolonne vorbei. Superpeinlich.

Wir bleiben dann nochmals nach einer Brücke gegen 15:45 Uhr stehen, denn hier gibt es was Besonderes zu sehen. Ein Teil des Meeres ist durch den Damm, auf dem sich die Straße befindet vom restlichen Meer abgetrennt. Nur eine kleine Öffnung unter einer Brücke verbindet die Wasser. Aufgrund der Gezeiten hat sich zwischen „Drinnen“ und „Draussen“ ein Höhenunterschied der Gewässer ergeben und das Wasser des Atlantiks drängt jetzt mit Wucht durch den kleinen Durchlass in die Bucht. Dieser Wasserstrudel ist so sehenswert, dass wir nach der Brücke sofort stehenbleiben, um das auf Foto und Video zu bannen. Es scheint eine kleinere Ausgabe von SALTSTRAUMEN südlich von NARVIK zu sein.

Gegen 17:30 Uhr kommen wir in MORTSUND an. Anfangs fahren wir an der Einfahrt zu diesem Gehöft vorbei, aber dann bleibe ich draußen stehen und Mara geht hinein, um das Zimmer klarzumachen. Wir erfahren Erstaunliches: Dies ist das Haus des Großvaters des Vermieters. Er hatte es als Unterkunft zum ersten Mal angeboten und nur wenige Minuten nach dem Online-stellen des Angebots auf https://booking.com buchten bereits ein Schweizer Ehepaar eines der beiden Zimmer und nur Minuten darauf wir das Zimmer. Wir sind also seine ersten Gäste überhaupt. Die Schweizer haben ein Zimmer mit Bad/WC am Gang genommen, während wir ein eigenes Bad und WC haben, aber keinerlei Ablagemöglichkeiten oder Kästen. Es hat aber trotzdem alles seinen eigenen Charme. Die Schweizer sind auch schon gestern angekommen und werden morgen abreisen. Ab dann werden wir offenbar allein im Haus sein. Wie uns der sympathische Vermieter erklärt, ist das für ihn zunächst einmal nur ein Versuch. Wie er später weiter macht, weiß er noch nicht. Als ich auf den Vorplatz zwischen Haus und Scheune einfahre, sind hektische Aktivitäten zu erkennen.

Uns wird erklärt, dass hier und heute in der Scheune eine Oper aufgeführt wird. Die Handlung der Oper hat einen realen Hintergrund. Im 15. Jahrhundert ist ein Seefahrer aus Kreta in venezianischem Auftrag auf Expedition in den hohen Norden gesendet worden. Sein Schiff erlitt Schiffbruch und die Besatzung konnte sich auf eine kleine Insel retten wo sie von Einheimischen gerettet und aufgenommen wurde. Jahre später kam dann der Seefahrer wieder nachhause und erstattete schriftlich Bericht. Die Oper wäre sozusagen eine musikalische Präsentation der Ereignisse von damals.

Ich stelle die SOL etwas abseits hin und trage alles Gepäck in unser Zimmer in den ersten Stock. Als ich die letzten Gepäckstücke hinauftrage, bittet mich der Besitzer der Unterkunft die SOL hinters Haus zu stellen. Seine Begründung ist witzig. Er meint, dass zur Oper hauptsächlich ältere Personen kommen würden und die ganze Umgebung wahrscheinlich mit Autos zugeparkt sein würde. Wenn ich die SOL hinterm Haus quasi „verstecke“ würde sie nicht Gefahr laufen von einem sehbehinderten Pensionär umgefahren zu werden. Wir sehen auch, dass jetzt viele Stühle in den Hof gestellt werden, weil entschieden wurde, dass aufgrund des guten Wetters die Aufführung im Freien stattfinden kann. Die Aufführung der Oper war eine sehr kurzfristige Entscheidung.

Ohne Werbung wären binnen 3 Tagen über das letzte Wochenende alle Karten ausverkauft worden. Es sind ja ohnehin nur ca. 200 Karten, weil in der ganzen Umgebung nicht mehr als diese 200 Stühle aufzutreiben waren. Auf den LOFOTEN leben dauerhaft nicht allzu viele Menschen und man kennt sich gegenseitig. Man hilft sich gegenseitig, ist oft auf sich allein gestellt und wenn einer was unternimmt, bekommt er sicher Unterstützung von seinen Nachbarn.

Als alles hinaufgetragen und organisiert ist, bin ich erschöpft und lege mich für 1 Stunde nieder. Als ich wieder aufwache, ist die Oper schon voll im Gang und ich kann der Aufführung vom Badezimmerfenster folgen. Am späten Abend, es ist mittlerweile nach 21:30 Uhr und die Aufführung ist längst vorbei und alle Stühle wieder weggeräumt, unternehmen wir einen Spaziergang. Wir sind immer noch nördlich des Polarkreises, weshalb es zu dieser Jahreszeit nie wirklich dunkel wird. Wir erklimmen einen Hügel hinter dem Haus und wandern auch im kleinen Hafen umher und können dabei die alten Gerüste sehen, welche früher zum Trocknen der Stockfische benutzt wurden. Aber die wurden sichtlich schon länger nicht mehr benutzt. Wie uns später der Besitzer der Unterkunft erzählt, gehörte dies seinem Großvater und er hätte es geerbt, aber er würde keinen Fischfang mehr betreiben, da die Bestände schon so weit zurückgegangen wären, dass die jährlichen Fischfanglizenzen nur noch so klein wären, dass man davon nicht mehr leben könne. Es hätten auch schon viele andere Fischer aufgegeben. Wir finden auch ein Fischrestaurant in der Nähe und beschließen hier in den nächsten Tagen einmal essen zu gehen. Es ist schon gegen 23:00 Uhr als wir zufrieden ins Bett fallen.

Heute sind wir ca. 276 km gefahren.

Mara schreibt

Drei Tage möchten wir auf der Inselkette LOFOTEN verbringen. Wir haben Glück bei der Auswahl der Unterkunft: Gammelbutikken in MORTSUND. Ein Doppelzimmer mit eigenem Badezimmer in einem Haus am Meer. Küche und Wohnzimmer stehen den Gästen zur gemeinsamen Benutzung zur Verfügung.

Die Anreise ist malerisch und die Orientierung klappt gut. Alte Technik wird ausgegraben und kommt zum Einsatz: Die Karten gründlich lesen und sich eine Vorstellung von den Himmelsrichtungen und vom Straßenverlauf machen; Ortsnamen raussuchen, die dann hoffentlich auf den Wegweisern zu finden sein werden; Straßennummern und deren Abfolge memorieren. Somit bleibt ausreichend Raum für das Genießen der Landschaft. 😍

Am Vormittag bei der Fahrt entlang der Küstenlinie ist das tiefblaue Meer bereits weit zurückgezogen und die Ebbe bewirkt pittoreske Küstenbilder.

Die Straße weicht von der Küste zurück, führt die Hügel hinan ins Inselinnere, taucht in einen Tunnel und führt auf der anderen Seite des Berges wieder hinab zur Küste. Bucht für Bucht, Fjord für Fjord geht das voran. Dann eine Brücke und weiter auf die nächste Insel. Dort wiederholt sich der Ablauf. Kurve um Kurve, Tunnel um Tunnel, Brücke um Brücke kommen wir näher an unser Tagesziel.

Endlose Moorlandschaften mit niedrigen Beerenstauden – Heidelbeeren, Preiselbeeren, Schwarze Krähenbeeren, Steinbeeren – werden zunehmend durchsetzt mit rosa blühendem Erika. Dann wieder Birken und/oder Kiefern, klein und vom Wind verbogen – ganz Norwegen erscheint uns wie ein riesiges Hochmoor umgeben von uralten Granit-Kolossen und Wasser.

Design oder Behelf? Gurkenglas mit Glühbirne als Nachttischlampe

Unser Quartier besteht aus einem sehr einfach ausgestatteten Zimmer. Wir haben das Bad beim Zimmer dabei. „Masters Room“ heißt es deshalb vermutlich. Küche und Wohnzimmer teilen wir uns mit einem Paar aus Zürich. Das Haus liegt direkt am Meer und war Teil eines klassischen Fischerdorfes in LOFOTEN.

Das Wohnzimmer hat Fenster nach drei Seiten und so ist das Meer allgegenwärtig.

Blick aus dem Apartment
Trockengestell für Kabeljau in MORTSUND
MORTSUND / LOFOTEN Statles Rorbu – Fischerhäuschen als Touristenherberge
Aussichtspunkt über MORTSUND
Abendstimmung in MORTSUND

unsere Tagestour

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