
Tag 29 – Matterhorn
Schilderung Atlan
Schon seit dem Jahr 2013, als ich zum ersten Mal mit dem Motorrad FRANKREICH besuchte, wollte ich auf der Rückreise ZERMATT und das MATTERHORN besuchen. Sooft ich aber an VISP vorbeikam, immer gab es einen Grund nicht Richtung ZERMATT abzubiegen. Dieses Jahr will ich es übers Knie brechen und auf jeden Fall die wohl bekannteste Bergspitze der Welt besuchen. Mara und mir war klar, dass dies eine teure Angelegenheit werden würde, aber trotzdem wurden wir von den exorbitanten Preisen überrascht.
Zunächst einmal mussten wir den Frühstücksraum finden. Der ist ein Felsenkeller im ersten Untergeschoß und wir auch so genannt. Dort nehmen wir bei leiser Musik in sehr gediegener Umgebung unser Frühstück zu uns. In Vorbereitung auf die großen Höhen nehmen wir die Motorradjacken mit und auch noch zusätzliche Kleidung. Dann gehen wir rüber ins größte Gebäude des Ortes, den Bahnhof, und besorgen uns Zugtickets Hin-und-zurück um nach ZERMATT zu kommen. ZERMATT hat sich bereits in den 1920er-Jahren entschlossen komplett zur Autofreien Zone zu werden. Fürs Publikum geht es nach ZERMATT nur per Zug oder, wer sich ein Hotel im Ort von ZERMATT selbst leisten kann, mit speziellen, elektrischen Zubringerfahrzeugen, welche auch das Gepäck mitnehmen.
In ZERMAT, direkt gegenüber dem Bahnhof befindet sich die Endstation der berühmten GORNERGRAD-BAHN. Dort gehen wir hin und besorgen uns Karten. Wie wir am Vortag erkennen konnten, gibt es mehrere Ticketkombinationen und wir beschließen, jetzt, wo wir schon einmal da sind und höchstwahrscheinlich nie wiederkommen werden, die Luxusvariante zu kaufen. Zu meiner Überraschung gibt es nämlich neben der GORNERGRAD-BAHN noch einen zweiten Transportweg hinauf ins ewige Eis: Eine Seilbahn zum „KLEINEN MATTERHORN“. Wir kaufen 2 Tickets für beides und können, wenn wir wollen, bei jeder Station aussteigen und Pause machen. Der Ticketverkäufer rät uns, zuerst mit der Seilbahn zu fahren, da am Nachmittag oft Wind aufkommt und dann aus Sicherheitsgründen manchmal der Betrieb eingestellt würde. Die GORNERGRAD-BAHN würde immer fahren. Er meint dann noch scherzhaft „Damit seid ihr dann den ganzen Tag beschäftigt“. Das kostet allerdings 210 EUR pro Person!
Danach müssen wir erstmal zur Fuß ZERMATT durchqueren, um zur Seilbahnstation zu kommen. Wir haben Glück, wie heute noch oft und können eine Gondel allein benutzen. Über mehrere Stationen, wo die Gondel nur langsamer wird, fahren wir hoch bis hinauf in die Gletscherregion. Ich habe dabei den Eindruck, dass unsere Gondel automatisch von einem Seil aufs nächste umgeladen wird. In der letzten Station müssen wir tatsächlich aussteigen. Jetzt hat Mara noch etwas spezielles entdeckt: Es gibt Gondeln mit Glasboden. Das will sie ausprobieren. Es kostet aber extra. Das Ticket müssen wir in der Station kaufen. Wir müssen ein paar Augenblicke warten und dann besteigen wir wieder alleine die Gondel. Vor uns wird durch einen Mitarbeiter nochmals die Kabine geputzt und der Boden gewischt. Da drin ist es jetzt so sauber, dass man vom Fußboden essen könnte. Der Fußboden ist tatsächlich zum Teil aus Glas aber milchig undurchsichtig.

Erst als wir mit der Gondel losfahren wir die Sicht freigeschaltet und wir können den Berghang 170 Meter unter uns sehen. Ich finde das cool, für Mara ist das sehr angsteinflößend. Ich ermuntere Mara mehrfach, aufzustehen und sich ebenfalls auf das Glas zu stellen was Mara dann starr vor Angst irgendwann auch macht. Als sie schließlich steht und beide Daumen triumphierend nach oben hat mache ich ein Erinnerungsfoto. Tapfere Mara. Tapfer ist nur der, der Angst hat und sie überwindet. Ich selbst bin nicht tapfer, obwohl ich wie selbstverständlich auf dem Glasboden herummarschiere, denn ich spüre ja auch keine Angst, die ich überwinden müsste. Mara ist von all diesen Emotionen so überwältigt, dass sie sogar dann ein paar Tränen vergießt. Ich bin enorm stolz auf Mara.


Am oberen Ende der Seilbahn befinden wir uns auf 3883 Meter Höhe. Ich befürchte, ich würde schon nach 1 bis 2 Stunden Höhenkrank werden wie schon 2013 am AIGUILLE DU MIDI aber, aus welchen Gründen auch immer: heute spüre ich den ganzen Tag gar nichts.

Oben angekommen betritt man einen Tunnel. Von dort geht es auf eine Aussichtsplattform auf 3883 Meter Höhe. Es ist beinahe wolkenloser Himmel, warm und man hat eine wirklich unfassbar schöne Aussicht auf die umgebenden Berge und das Matterhorn. Mara entdeckt sogar in der Ferne den MONT BLANC.



Zurück in der Seilbahnstation finden wir eine Halle wo kurze Filme über das MATTERHORN, die Seilbahn u.Ä. gezeigt werden, aber das interessiert uns nicht so und wir gehen hinaus auf den Gletscher. Leider passen unsere Schuhe nicht zum Untergrund, denn festeres Schuhwerk konnten wir auf unserer Reise nicht mitnehmen. Ich habe wenigstens Turnschuhe mit aber Maras Schuhe sind, neben der Gummisohle hauptsächlich aus Stoff.

Somit bleiben wir nicht lange in dieser gleißenden Helligkeit des ewigen Eises und gehen in das Stationsrestaurant. Dort muss ich mal aufs WC was 2 EUR kostet. Es ist das wohl teuerste WC, welches ich je benutzt habe. Wir kaufen dann ein paar Souvenirs und trinken unseren späten Vormittagskaffee zu einem Preis, der selbst für die SCHWEIZ ungewöhnlich hoch ist.

Wir haben heute noch viel vor, verabschieden uns vom kleinen Matterhorn und fahren wieder eine Station nach unten. Dort verlassen wir die Station und wandern zu einem kleinen Bergsee. Während wir zu diesem See runtergehen, bemerke ich eine Frau, welche mühsam und verzweifelt versucht einen Kinderwagen über diesen Wanderweg hinunter zum See zu bringen. Ihr Mann ist mit den beiden Kleinkindern schon voraus gegangen. Ich packe dann mit an und gemeinsam tragen wir dann den Kinderwagen hinunter. Heute machen wir eine Unzahl von Bildern vom MATTERHORN und wir haben enorm Glück. Normalerweise umhüllt sich der Berg am Gipfel oft mit einer Wolke aber heute können wir ihn wolkenlos bewundern.

Wieder hinauf zur Seilbahnstation fahren wir weiter hinunter, wieder allein in der Gondel, und steigen dann bei einer Zwischenstation in die GORNERGRADBAHN um. Wir müssen nicht warten, denn wiederum haben wir Glück und sie kommt sofort. Ob auf dem GORNERGRAD genehmigen wir uns dann unseren Nachmittagskaffee und kommen dabei mit einem alten Ehepaar aus GROSSBRITTANIEN ins Gespräch.

Die Umgebung ist weiß, weiß und nochmals weiß. Die vielen Gletscher sind eine unfassbar schöne aber leider im Zuge des Klimawandels vergänglich Erscheinung. Es ist alles so weiß, dass ich mit der Zeit Probleme mit meinen Augen bekomme. Ich kann bemerken, dass langsam alles, auch dunkle Stellen hinter einem milchig weißen Vorhang zu sein scheinen. Alarmiert wende ich mich an Mara und sage ihr, dass ich offenbar langsam schneeblind werde. Das ist umso ärgerlicher als ich extra optische Sonnenbrillen auf die Reise mitgenommen habe, diese aber jetzt nicht bei mir habe.


Es ist aber ohnehin schon Zeit wieder ins Tal zu fahren. Wir fahren eine Station hinunter und machen dort einen kurzen Spaziergang. Dort finden wir dann eine verlorene Kinderperlenkette. Mara nimmt sich diese mit und wird sie als Erinnerungsstück an einen unvergesslichen Tag in ihr Schätzkästchen geben.



Ich kann auch in einer Felsspalte einen kleinen, schönen Quarzkristall erkennen. Dann nehmen wir die nächste Bahn, um damit ganz ins Tal abzufahren, wo wir direkt gegenüber dem Bahnhof aussteigen. Es hat sich schon eine Wartschlage gebildet als der Zug eintrifft. Es ist aber abgesperrt. Zuerst können, schweizerisch geordnet alle ungehindert aussteigen und dann dürfen die neuen Fahrgäste einsteigen. Abgefüllt mit unvergesslichen und wunderschönen Bildern im Kopf kommen wir wieder in TÄSCH an und haben unser Hotel direkt gegenüber dem Bahnhof. Wir essen dann noch aus unseren Vorräten wieder am Balkon und bereiten dann routiniert die Abreise für den nächsten Tag vor.



