
Tag 27 – die coolste Tramway der Welt und ein paar fehlende Schrauben
Schilderung Atlan
Es ist 06:00 Uhr. Ich wache nur beinahe auf, finde im BIOS-Mode irgendwie in meine Klamotten und um 07:00 UHR sind wir am Ticketschalter der „TRAM DU MONT BLANC“.

Was ist daran eigentlich so besonders? Vor langer Zeit gab es einmal einen offiziellen Wettbewerb eine umweltfreundliche Methode zu schaffen, dass nicht nur Bergsteiger und andere „Fachpersonal“ sondern auch Otto-Normalverbraucher die Schönheit des MONT BLANC genießen können soll. An diesem Wettstreit beteiligten sich 2 Orte: CHAMONIX und ST. GERVAIS. CHAMONIX baute eine Seilbahn hinauf auf den AIGULLE DU MIDI und ST. GERVAIS baute eine Zahnradbahn. CHAMONIX gewann den Wettbewerb, strich das hohe Preisgeld ein und wurde berühmt. ST. GERVAIS als Zweiter ist heute kaum jemanden bekannt. The winner takes ist all. Mara schlug diese Zahnradbahn schon am Beginn unserer Reiseplanung vor und jetzt ist es so weit.

Erstaunlicherweise wartet schon weitere Personen am Schalter, bis dieser aufsperrt. Mara nimmt sich die Tickets für 08:00 UHR – also in einer Stunde. Rückfahrt wäre um 10:40. Da in unserem Arrangement mit dem Hotel kein Frühstück inbegriffen ist und wir deshalb unseren so dringend benötigten Morgenkaffee nicht genießen konnten, gehen wir in ein kleines Kaffeehaus gegenüber dem Bahnhof und kaufen uns 2x Kaffee mit Croissant, Butter, Marmelade und Semmel. Als wir fertig sind, suche ich noch kurz die Umgebung ab, um eine Flasche Wasser zu ergattern. Die finde ich in einem nahen Souvenirshop.
Der Waggon ist bei Weitem nicht voll als der Zug losfährt. Langsam rattert die Tram hinauf auf den MONT BLANC. Unmittelbar nach einem Tunnel und direkt vor einer Endmoräne ist Endstation und man muss nur noch wenige hundert Meter gehen, um zum Gletscher zu gelangen.

Der hat sich aber im Laufe der Zeit weit zurückgezogen. Trotzdem kommen wir nahe heran und können den Geräuschen, die er macht, zuhören. Da, wo wir jetzt sind, ist aber nur noch ein Trampelpfad und kein ordentlicher Gehweg mehr. Ich habe einen sicheren Tritt und mit meinen Turnschuhen auch einen viel besseren Halt als Mara mit ihren gummibesohlten Stoffschuhen. Ich helfe ihr gerne bei kritischen Stellen und gebe ihr Halt.

Es gibt dort zwar eine Art von Restaurant aber kein WC. Aufgrund der trockenen Witterung ist ihnen das Wasser ausgegangen. Mit einem Toilettengang müssen wir ergo warten, bis wir wieder unten sind. Das Wetter ist schön und die Aussichten sind fantastisch. Wir beginnen zu raten wo der GENFER SEE und ANNECY ist. Denn ANNECY wollen wir heute besuchen und uns dort bei einer autorisierten BMW-Werkstatt auch die fehlenden Schrauben besorgen. Auch beim Runterfahren ist der Waggon bei weitem nicht voll. Die TRAM DU MONT BLANC ist ein leistbares Vergnügen, welches wir gerne weiterempfehlen können.


Danach geht’s mit der SOL wieder zurück zum HOTEL wo wir unsere komplette Rüstung (Stiefel, Helm, Handschuhe, Jacke, Hose) anziehen und uns auf den Weg zur 92 km entfernten BMW-Motorradwerkstatt machen. Zunächst müssen wir noch tanken und dann folgen wir noch den blauen Autobahnschildern, kommen aber dann wegen der vielen Ortschaften und den Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht richtig vorwärts und nehmen dann doch die mautpflichtige Autobahn. Das Navi führt uns zielsicher zur Werkstatt – und die ist geschlossen! Allgemeiner Firmen-Sommerurlaub. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Eine Motorradwerkstatt macht 3 Wochen wegen Sommerurlaub der Belegschaft dicht gerade in jener Zeit, wo eigentlich das meiste Geschäft wäre! FRANKREICH!

Was tun? Etwas entfernt sehen wir ein Geschäft für Autozubehör. Ich gehe in der Nachmittagshitze dort hin – nein die verkaufen nur Autobatterien in allen Größen, Formen und Kapazitäten. Nebenbei bekommen wir mit, dass ein anderer Motorradfahrer ankommt. Der will aber nichts von der ohnehin geschlossenen Werkstatt, sondern will offenbar seine 750ccm BMW privat verkaufen. Die Käufer tauchen auch auf aber etwas verwundert können wir sehen, dass die Käuferin nur Sandalen anhat, weswegen sie vermutlich auch keine Probefahret macht. Wie kann man zu einen Besichtigungstermin für einen Motorradverkauf nur mit solchem Schuhwerk kommen?
Ein weiterer Anruf bei BMW in München ergibt, dass die nächste Werkstatt mind. 100 km weit weg ist. Wir bekommen den Tipp in den nächsten Heimwerkermarkt zu gehen, um dort ein paar Schrauben zu erstehen, womit wir die losen Teile behelfsmäßig befestigen könnten, um dann daheim in WIEN in die Werkstatt zu gehen. Was MÜNCHEN erst zuhause auf Nachfrage meinerseits verrät: Es gäbe in der SCHWEIZ in SITTEN eine Vertragswerkstatt. Ärger steigt in mir auf: Zuerst werden wir an eine geschlossene Werkstatt verwiesen und dann bekommen wir zu spät die Info, dass eine entsprechende Werkstatt ohnehin auf unserem Nachhauseweg gelegen wäre.
Wir durchsuchen unser Navi und finden einen Heimwerkermarkt „MR. BRICOLAGE“ nur 1,5 km entfernt. Dort angekommen stellen wir die SOL im Schatten ab und gehen hinein in die angenehme Kühle des Baumarktes. Ein junger Verkäufer mit amerikanischen Wurzeln spricht naturgemäß perfekt Englisch und berät uns bei der Produktsuche. Ich habe ein Muster demontiert und kann mittels einer Mutter herausfinden, dass dies ein metrisches 5mm Gewinde ist. Für mich ganz offensichtlich ist die Originalschraube aus INOX-Rostfreiem Stahl. 5mm INOX-Schrauben gibt’s aber nur im Paket und als Schlitzschrauben. Außerdem sind sie offensichtlich zu lange. Ergo müssen wir auch INOX-Beilagscheiben kaufen – ebenfalls nur in der Großpackung.
Wir müssen aber unbedingt INOX-Schrauben verwenden, weil sonst im Regen ein galvanischer Effekt einsetzen würde wo das edlere Metall (die Schraubenfassung) das unedlere Metall (die Schraube) oxidieren würde und damit u.U. größeren Schaden anrichten würde. Die Schrauben, welche wir finden, sind Schlitzschrauben. In Erwartung von der Werkstatt die korrekten Schrauben zu bekommen, habe ich aber vor dem Wegfahren noch das Topcase weitgehend ausgeräumt (Starterpack blieb drinnen). Damit habe ich auch den Letherman rausgegeben. Jetzt habe ich das Bordwerkzeug zur Verfügung, mit welcher alle möglichen Arten von Schrauben gelöst oder angezogen werden können: IMBUS, TORX, Kreuz, 6-Kant usw. – nur keine Schlitzschrauben. Dafür hätte ich den Letherman gebraucht. Erinnerungen an BORDEAUX und ein fehlendes Starterpack kommen in mir hoch genauso wie ziemlich viel Frustration. Also wieder hinein in den Baumarkt und warten bis der englischsprechende Verkäufer endlich die Kunden ausreichend bei Kauf von ein paar Neonröhren beraten hat. Mit dem im Schlepptau wieder raus zum Bike, wo er mit einem mitgenommenen Schraubenzieher die Schrauben anziehen kann, welche ich schon vorher behelfsmäßig mit der Hand reingeschraubt habe. Als er aber die erste Schraube regelrecht anknallt, gehe ich dazwischen und ziehe die 2. Schraube lieber selbst an. Mit diesen Schrauben sind wir dann den restlichen Urlaub unterwegs. In SITTEN machten wir dann keinen Halt und die Schrauben wurden erst bei einem routinemäßigen Ölwechsel ausgewechselt. Da diese Schraube auch an anderer Stelle verwendet werden habe ich jetzt 4 Stück davon in Reserve immer mit.

Jetzt, wo wir schon in den Außenbezirken von ANNECY sind, wollen wir uns auch den uralten, megaromantischen Stadtkern ansehen. Das wollten wir ohnehin machen. Wir parken am Motorradparkplatz direkt vor dem Rathaus und schlendern dann durch die Altstadt. Ich hatte ja eigentlich etwas anders vor: Ich wollte mit Mara nach Einbruch der Dunkelheit ein Candlelight-Dinner in einem der vielen Restaurants unter freiem Himmel direkt neben einem der Abflussbäche des LAC ANNECY haben. Was wäre sooo romantisch gewesen. Jetzt aber im Motorradklamotten schwitzend bei Temperaturen von sicher weit mehr als 36 Grad bei helllichtem Tage von den Touristenmassen durch die Stadt geschoben zu werden ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe.

Mind. 40% aller Geschäfte in der Altstadt von ANNECY sind Eisläden. Wohl aufgrund der Hitze stellen sich dort die Touristen in langen Schlangen an. Es ist u.U. einer der einnahmenstärksten Tage des ganzen Jahres. Wir gönnen und auch ein Eis und stolpern dann weiter durch die Stadt bis wir einen freien Tisch mit Sessel in den Arkadengängen finden. Dort gönnen wir uns zunächst ein Cola mit viel Eis und dann einen Kaffee.


Danach schleppen wir uns, erschöpft von der Hitze in unserer Motorradkleidung, zurück zum Motorrad. Der Parkplatz und sämtliche Möglichkeiten ihn regulär zu verlassen ist aber zugeparkt. Ergo müssen wir über den Gehsteig fahren, was offensichtlich niemanden stört. Wir nehmen wieder die Autobahn zurück zum Hotel und können in ST. GERVAIS ebenfalls eine Filiale von MR. BRICOLAGE sehen. Frust!
Im Hotel ziehen wir uns dann etwas zivileres an und gehen dann in der hoteleigenen Bar Essen.
