
Tag 16 – Besuch bei Freunden in REZZO
Schilderung Atlan
Unser Wecker läutet um 07:00. Unsere morgendliche Routine von Aufstehen, WC, Badezimmer und Frühstück spulen wir schnell aber ohne Hast ab. Obwohl es eine Weile dauert all unser Gepäck runter zum Motorrad zu bringen sind wir um 09:00 bereits auf der Autobahn Richtung ITALIEN. Jetzt ist es am Morgen, weshalb wir im Morgenstau stecken, und zwar wiederum bergauf. Warum können wir nicht, wenn es schon sein muss, in einem Stau bergab feststecken? Aber das wäre ja zu einfach. 2,5 Kilometer später im Stop-and-Go-Modus, wobei wieder meine Hände zu schmerzen beginnen, stehen wir endlich an der Mautstation, die den Stau verursacht. Mara will mit Kreditkarte zahlen was auch gelingt aber der Schranken vor uns geht nicht auf. Versuche mit erneut zahlen oder meiner Bankomatkarte scheitern. Es gibt einen Notallknopf und den betätigt jetzt Mara. Es meldet sich eine Stimme und als Mara anfängt zu erklären weis die Person am anderen Ende der Leitung offenbar schon was für ein Problem wir haben und öffnet den Schranken vor uns. Ich konnte derweilen sehen, dass andere das gleiche Problem haben. Manchmal öffnet sich der Schranken nach dem Zahlen, manchmal blöderweise eben nicht. Das war u.U. auch die Ursache für den Stau.
Wie geplant fahren wir bei MENTON ab und via dem COL CASTILLION nach SOSPEL.


oben: Mittelalterliche Brücke in SOSPEL
Mara ist von diesem entzückenden Ort und dessen mittelalterlichen Brücke ganz hin und weg. Wir nehmen unseren üblichen Vormittagskaffee zu uns und reisen dann weiter Richtung COL DU PERUS und biegen dann wieder bei BREIL-SUR-ROYA Richtung Süden ab. Wir unterqueren in einem Tunnel den COL DE L ARMA, merken uns die Abzweigung auf die SP73 (wir sind mittlerweile in ITALIEN) und biegen in VENTIMIGLIA wieder auf die Küstenautobahn Richtung IMPERIA ab. Diese Autobahn ist die wahrscheinlich schönste in ganz Europa. Nirgends konnte ich bisher schönere Aussichten auf die Umgebung und im Speziellen aufs azurblaue Mittelmeer finden. Sie ist aber auch sehr fordernd, denn es gibt viele Tunnels und hohe Brücken, wo ordentlich der Wind weht. Dieser Lichtwechsel von sehr hellem Sonnenschein und mäßig beleuchteten Tunnel macht mir heute zu schaffen. All das und die zunehmende Erschöpfung durch die Hitze der letzten Tage macht mir sehr zu schaffen.
Ich kenne mittlerweile meine SOL sehr gut und kann am Fahrverhalten spüren, dass bei dieser Beladung der Reifendruck von vorne 2,4 Bar und hinten 2,8 Bar zu wenig ist. Auch das ist kein angenehmes Gefühl. Bei IMPERIA verlassen wir die Autobahn und fahren nordwärts Richtung einer winzigen Ortschaft namens REZZO. Dort hat eine alte Freundin von Mara, Ruth, ein Feriendomizil. Ruth hatte uns eingeladen und dieser Einladung folgen wir jetzt. Sie hat auch ein Ferienapartement, welches sie vermietet und wollte es uns kostenlos zur Verfügung stellen, aber dazu hätten wir unseren Ankunftstag lange vorher bekanntgeben müssen. Da wir vorab selbst nicht so genau wussten, wann wir REZZO besuchen würden, war das Apartment belegt und wir mussten uns ein Zimmer in einem Renaissancepalzzo in der benachbarten 1500-Seelen-Gemeinde PIEVE DI TECO nehmen. Wann kann man das schon in einem Renaissancepalzzo wohnen? 😊
TECO DI PIEVE ist eine Ortschaft im Wesentlichen entlang einer einzigen Straße. Die hat beidseitig Arkadengänge der ganzen Länge nach und winzige Geschäfte. Das ist das abgelegene ITALIEN pur. Die SOL wird direkt gegenüber dem Palazzo abgestellt und nachdem Mara, wie immer, das Zimmer klar gemacht hat, wird all das Gepäck in den 2. Stock geschleppt. Leider können wir die SOL dort nicht parken, weil am nächsten Tag im Ort ein Antiquitätenmarkt stattfindet und deshalb die gesamte Straße zur autofreien Fußgängerzone wird. Für den Moment macht das nix, weil wir sowieso Ruth besuchen wollen. Wir haben zwar eine Adresse, aber die wird uns in dieser kleinen Ortschaft nur wenig helfen. Ruth hat Mara aber auch eine detaillierte Wegbeschreibung von PIEVE DI TECO nach REZZO mitgegeben und der folgen wir jetzt. Ohne Probleme finden wir Ruth und ihr Haus in REZZO. (Man spricht es mit „S“ aus – nicht mit „Z“)…

…und werden freundlichst aufgenommen. Wir sitzen auf einer Terrasse im Schatten, genießen den servierten Kaffee und plauschen, was das Zeug hält. Ruth beherrscht die leider nur nach seltene Fähigkeit zur gepflegten Diskussion auch über kontroverse Themen perfekt. Es ist eine Freude mit so jemandem verbal die Klinge zu kreuzen. Später bekommen wir sogar ein Abendessen serviert. Es ist Fisch, aber der ist leider nicht ganz durch. Macht nix, dann kommt er eben temporär wieder in den Ofen. Ruth und ihrem Lebensgefährten ist dieser Kochunfall peinlich, aber mir ist das total egal. Ruth erklärt mir dann auch die verwickelte Geschichte wie sie, eine Wienerin, zu einem Haus in dieser abgelegenen Ecke kommt. Das ist durchaus sehr amüsant. Wir bleiben, bis es dunkel ist und fahren dann sehr vorsichtig die Straße wieder runter nach PIEVE DI TECO. Ich bin jetzt schon todmüde und habe während der Rückfahrt keine Ahnung, wo wir uns auf der Zufahrtstraße nach REZZO befinden. Ich steuere die SOL halt langsam die enge, gewundene Straße hinunter, bis wir wieder auf der Hauptstraße sind. Die SOL wird auf dem Großen Parkplatz vor der Kirche abgestellt und dem Schutz der Bordalarmanlage, dem Bremsscheibenschloss, der Alarmanlage des Bremsscheibenschlosses, der Lenkradsperre, dem GPS-Device und Pater Pio anvertraut. Am nächsten Tag steht sie unberührt immer noch da.
Die letzten Stufen rauf in unser Zimmer waren dann wegen meiner großen Erschöpfung schon etwas mühsam. Als ich mich ins Bett gelegt habe, bin ich sofort eingeschlafen.
