
Tag 10 – Die Reise nach Süden beginnt
Jede Reise hat einen speziellen Geruch, besonderen Geschmack und eigene Farben.
Wanda Rezat
Atlan schreibt
Wir reisen gegen 10:00 Uhr ab. Alles Gepäck zusammen sind mehr als 80 kg. Das alles aus dem 2. Stock durch die enge Stiege hinunter zum Bike tragen ist eine sportliche Übung. Danach tanke ich den teuersten Sprit aller Zeiten: ca. 2,30 EUR pro Liter. Bei 20 – 22 Grad geht es wieder der Küstenstraße entlang zurück. Die Arbeiten im NORDKAP-Tunnel sind erledigt und wir müssen nicht warten. Es ist geradezu einsam auf der Straße. Unser heutiges Ziel ist ein Campingplatz in LANGFJORDBOTN. Als wir eine Pause bei einer Art Raststation machen, kommen mehrere Autobusse mit Touristen an, welche heute Morgen aus dem AIDA-Schiff in HONNINGSVAG ausgestiegen sind, um in HAMMERFEST wieder an Bord zu gehen. Auf dem Parkplatz bietet ein Italiener viele verschiedene Käsesorten und Oliven an der gar nicht schnell genug verkaufen kann. Wir fahren immer direkt am Meer entlang.

Das Meer schimmert metallicblau und das Eis auf den Bergen spiegelt sich darin. Angekommen in LANGFJORDBOTN können wir uns den Platz für das Zelt aussuchen, denn der Campingplatz ist beinahe leer. Wir wählen einen Platz auf einer kleinen Anhöhe und bauen unser Zelt auf. Es ist das erste Mal überhaupt, dass wir dieses Zelt aufbauen, weshalb wir erst jetzt dahinterkommen, dass 5 Zeltheringe fehlen.

Es gibt dort ein kleines Lebensmittelgeschäft. Es ist 24 / 7 offen und hat kein Personal. Man nimmt einfach alles, was man braucht, und bezahlt an der Automatenkassa. Die Norweger sind offenbar so ehrlich, dass dies ohne Probleme funktioniert. Wir wollen jetzt wieder einen Gute-Nacht-Trunk haben und eine Flasche Rotwein kaufen. Wein gibts hier aber nicht. Es gibt nur Bier. Also will ich Bier kaufen. Das geht aber auch nicht, weil uns erklärt wird, dass an Samstagen und Sonntagen prinzipiell kein Alkohol verkauft werden darf. Das ist wirklich schade, denn die Abendstimmung würde perfekt zu einem Glas Rotwein passen. Unsere Zeltnachbarn sind ein Radfahrer mit Ultra-Ultraleicht Zelt und ein Mann mit einem Auto, der sein Zelt auf dem Dach seines Autos aufbaut. Interessant was für Konstruktionen es gibt.
Mara schreibt
Frühstücken und SOL beladen sind bereits Routine, wir sind heute in weniger als zwei Stunden damit fertig und die Reise nach Süden beginnt.
Ein langer Reisetag steht bevor, wir wollen am Nachmittag unser Zelt auf halbem Weg nach TROMSØ aufstellen, sodass wir morgen früh genug zu unserer ersten Fähre gelangen können. Wie bei der Herfahrt sind wir auch jetzt bestens ausgerüstet für die Fahrt durch den NORDKAP-Tunnel. Es hat hier nur 11 °C und nach dem Auftauchen aus dem Tunnel beschlägt mein Visier.
In OLDERFJORD machen wir eine Pause. Gleichzeitig mit zwei Reisbussen sind wir da und es herrscht ein ziemliches Gedränge. Im Café gibt es frisch gebackenen Kuchen, der uns die Pause versüßt. Die SOL wird von einigen Touristen bestaunt und Atlan erzählt gern von seinen Reiseplänen. Auf dem Parkplatz neben uns schüttelt ein Este mit minimalstem Gepäck seinen Kopf. Das wahre Fahrvergnügen im australischen Outback könne es mit unserer Beladung nicht geben. Alles, was er braucht, befindet sich in seinem schmalen Packsack auf dem Rücksitz und in seinem Rucksack. Sogar ein Zelt hat er mit dabei. Und die Kreditkarte – „you don’t need all this luggage, all you need is the bike and a creditcard“. Er fährt jetzt weiter bis TROMSØ und auf LOFOTEN und dann zurück nach ESTLAND und wieder nach AUSTRALIEN. So habe ich also erstmals auch „Benzin geschnitten“ und es war unterhaltsam. 🙃.
Die Route führt nun weg vom PORSANGERFJORD quer über das Festland bis wir bei ALTA die westliche Küste der FINNMARK erreichen. Die karge Landschaft präsentiert sich in unterschiedlichsten Grünschattierungen unter dem blitzblauen Himmel. Vereinzelt weist ein Schild auf eine Ansiedlung hin, es gibt kaum Verkehr auf der Straße und auch sonst sind wenig Spuren von menschlicher Präsenz zu entdecken.
Die Straße ist in ausgezeichnetem Zustand und wir kommen zügig voran.
ALTA – die Stadt an der Küste des ALTAFJORDS wirkt quirlig und pulsierend. Wir diskutieren, ob wir hier Brot einkaufen sollen und entscheiden uns dagegen. Kaum haben wir Alta hinter uns gelassen, gibt es weder Geschäfte noch Einkehrmöglichkeiten. Unser Brotvorrat muss also bis morgen ausreichen. 😄
Vereinzelt gibt es hier Campingplätze und auch unser Ziel ist gut sichtbar angeschrieben. Unser nördlichster Zeltplatz erwartet uns mit strahlendem Sommerwetter. 😊

Flott ist das Zelt aufgestellt und Google verrät uns, dass es gleich in der Nähe einen Supermarkt gibt. Bei „Langfjord Handel“ füllen wir unsere Brotreserven auf. Auch etwas Gemüse und Joghurt landet in unserer Einkaufstasche. Atlan hätte gern ein Bier getrunken, doch es ist Sonntag und da ist der Schrank mit den Bieren zugesperrt – Alkoholverkaufsverbot. Die Alkoholverkaufsbestimmungen in NORWEGEN erscheinen noch strikter als in FINNLAND. Ein erfrischendes Bier oder ein Glas Wein am Abend nach langer Fahrt trinken zu können erweist sich als logistische Herausforderung.
Wir genießen unser Abendessen auf der sonnigen Bank vor dem Servicegebäude und tauschen unsere Reiseerfahrungen mit dem Radfahrer-Zeltnachbarn und dem Zelt-am-Autodach-Nachbarn aus.
Es ist noch immer hell und doch bereits ganz still, als ich im Pyjama vom Zähneputzen zurück zum Zelt stapfe. Meine erste Nacht im Zelt nördlich des Polarkreises 🏕💤


